Viele Milliarden Super-Erden in habitablen Zonen um rote Zwergsterne - auch in Nähe zum Sonnensystem

Künstlerische Darstellung des Sonnenuntergangs auf der Supererde Gliese 667Cc. Der hellste Stern am Himmel ist der rote Zwerg Gliese 667C und Teil eines Dreifach-Sternsystems ist. | Copyright: ESO/L. Calçada

La Silla/ Chile - Felsige Planeten, die nicht viel größer als unsere Erde sind, sogenannte Super-Erden kommen "ausnehmend häufig in den habitablen Zonen um schwach leuchtende rote Sterne vor". Zu dieser Erkenntnis kommen Wissenschaftler des Planetenjägers HARPS an der Europäischen Südsternwarte (ESO). Das international besetzte Forscherteam schätzt die Anzahl dieser Planeten alleine in der Milchstraße auf mehrere zehn Milliarden. Einige hundert davon finden sich erwartungsgemäß auch in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserem Sonnensystem.


- Bei dieser Meldung handelt es sich auszugsweise um einen Pressemitteilung der Europäischen Südsternwarte ESO, eso.org

Das Team um Xavier Bonfils vom IPAG - Observatoire des Sciences de l'Univers de Grenoble, stützte sich dazu auf Beobachtungen, die mit dem HARPS-Spektrografen am 3,6-Meter Teleskop des La Silla- Observatoriums der ESO in Chile gewonnen wurden. Die Untersuchung ergänzt eine andere, noch nicht lange zurück liegende Veröffentlichung, in der die Zahl von Exoplaneten mit einer völlig anderen Methode abgeschätzt wurde (...wir berichteten). Schon damals konnte gezeigt werden, dass es insgesamt eine sehr große Zahl von Exoplaneten in unserer Galaxie der Milchstraße gibt. Die hier untersuchte Klasse von Exoplaneten konnte auf diese Weise allerdings noch nicht erfasst werden.

Das HARPS-Team suchte nach Exoplaneten, die rote Zwergsterne, also sogenannte M-Zwerge umkreisen. Hierbei handelt es sich um die häufigste Art von Sternen in der Milchstraße (...wir berichteten). Im Vergleich zur Sonne haben diese Sterne deutlich niedrigere Oberflächentemperaturen, sind jedoch sehr häufig und haben lange Lebensspannen.

"Unsere neuen Beobachtungen mit HARPS zeigen, dass wohl etwa 40 Prozent aller Roten Zwerge von einer Super-Erde umkreist werden, die sich in der habitablen Zone des Sterns befindet – also in dem Abstandsbereich, in dem flüssiges Wasser auf der Planetenoberfläche vorkommt”, so Bonfils. “Weil Rote Zwerge so häufig sind - in der Milchstraße gibt es etwa 160 Milliarden - führt uns das zu der erstaunlichen Schlussfolgerung: Alleine in unserer Milchstraße gibt es mehrere zehn Milliarden solcher Planeten.”

Während der sechsjährigen Beobachtungsphase überwachte das HARPS-Team 102 sorgfältig ausgewählte Rote Zwerge am Südhimmel. Dabei fanden die Astronomen insgesamt neun Super-Erden (also Planeten mit Massen zwischen einer und zehn Erdmassen). Unter diesen Planeten waren auch zwei, die ihre Zentralgestirne – Gliese 581 und Gliese 667 C – innerhalb deren habitabler Zone umkreisen (...wir berichteten, s Links).

Anschließend berechneten die Forscher, wie häufig verschiedene Arten von Exoplaneten bei roten Zwergsternen sind: Hierzu kombinierten sämtliche Beobachtungen, auch die von Sternen, bei denen keine Planeten gefunden wurden, und sie prüften auch nach, welcher Anteil der bereits bekannten Exoplaneten mit der neuen Methode hätte gefunden werden können. Das Ergebnis: Super-Erden in der habitablen Zone der Zwergsterne kommen mit einer Häufigkeit von 41 Prozent vor. (Die Grenzen des Fehlerbereichs dieser Abschätzung liegen bei 28 Prozent und 95 Prozent.)

Massereiche Planeten wie die Gasriesen Jupiter und Saturn in unserem Sonnensystem kommen bei roten Zwergen dagegen nur selten vor: Weniger als 12 Prozent der roten Zwergsterne sollten den Abschätzungen des HARPS-Teams nach von Riesenplaneten - also Planeten mit 100 bis 1000-facher Masse der Erde - umkreist werden.

Da es auch in der Umgebung der Sonne viele Rote Zwerge gibt, bedeutet die neue Abschätzung auch, dass es innerhalb von 30 Lichtjahren um das Sonnensystem etwa einhundert Super-Erden geben sollte, die ihren Zentralstern in der dessen "grüner Zone" umkreisen.

"Die habitable Zone eines roten Zwergs - also der Bereich, in dem flüssiges Wasser auf der Planetenoberfläche vorkommen kann – liegt viel näher am Zentralstern als die Bahn der Erde an der Sonne", erklärt Stéphane Udry vom Observatoire de Genève, ein weiteres Mitglied des Teams. Allerdings sei auch bekannt, dass Rote Zwerge zu Helligkeitsausbrüchen, sogenannten Flares, neigen. Diese würden die Planeten einer sehr intensiven Ultraviolett- und Röntgenstrahlung aussetzen, was die Existenz von Leben nach irdischem Vorbild unter solchen Umständen unwahrscheinlich machen würde (...wir berichteten, s. Links).

Einer der im Rahmen der HARPS-Durchmusterung von roten Zwergsternen entdeckten Planeten trägt die Bezeichnung Gliese 667Cc (s. Abb.). Es handelt sich dabei um den zweiten bekannten Planeten in diesem Dreifach-Sternsystem. Seine Umlaufbahn scheint nahe der Mitte der habitablen Zone zu liegen. Obwohl dieser Planet mehr als die vierfache Masse der Erde besitzt, handelt es sich bei ihm doch um den bisher ähnlichsten “Zwilling” unserer Heimatwelt. Auf seiner Oberfläche herrschen mit großer Wahrscheinlichkeit Bedingungen, die das Vorkommen von flüssigem Wasser ermöglichen. Gliese 667Cc ist die zweite Super-Erde innerhalb der habitablen Zone eines roten Zwerges, die im Rahmen der HARPS-Durchmusterung gefunden wurde. Die erste derartige Supererde war Gliese 581d, deren Entdeckung 2007 bekannt gegeben wurde und 2009 bestätigt werden konnte (...wir berichteten).

“Wir wissen nun, dass viele rote Zwerge in der Nachbarschaft des Sonnensystems von Super-Erden umkreist werden dürften. Wir müssen sowohl HARPS als auch zukünftige Instrumente einsetzen, um diese Planeten in unserer Nachbarschaft tatsächlich nachzuweisen. Einige dieser Planeten sollten auf ihrer Bahn von der Erde aus gesehen vor ihrem Zentralstern vorüberziehen. Das würde uns die aufregende Gelegenheit geben, die Atmosphäre des jeweiligen Planeten zu untersuchen und nach Spuren von Leben zu fahnden”, schließt Xavier Delfosse, ebenfalls Mitglied des ESO-Teams.

 

Quelle: http://grenzwissenschaft-aktuell.blogspot.de/2012/03/viele-milliarden-super-erden-in.html